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schwarz - weiss


 GALERIE AM STEIN
11.02 - 29.04.2012

Vernissage: am Freitag, dem 10. Februar 2012, um 20:00 Uhr



     
     
     
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In der ersten Ausstellung dieses Jahres wird die Farbe Schwarz in den Fokus der Werkauswahl gestellt. Schwarz zeigt sich bei all ihren Protagonisten der Schau als Kriterium des Essenziellen, Strukturellen, Puristischen und Akzentuierenden: ob in Arnulf Rainers dunklen Übermalungen, Otto Zitkos, Tobias Pils’ und Michael Kienzers Grafismen, die zwischen eruptiver Kraft und sensitiver Notation reichen, Günter Brus’ schwarzromantischen Bilddichtungen, Karl Schleinkofers zeichnerischen Netzen, oder Jakob Gasteigers konstruktiv linearen Anordnungen.

Schon bereits in Arnulf Rainers surrealistisch orientierten Frühwerk von 1949/50 forciert der Künstler die vorgegebene Fläche zu verdichten, mit Zeichen aus dem Unbewussten, der dunklen Tiefe, aus dem Abgründigen zu füllen und dem satten Schwarz die Vorherrschaft zu verleihen. Ein stetiger Drang und die manische Einstellung treiben ihn zur Überwindung des horror vacui. In den ab 1953/54 entstandenen Übermalungen herrscht eine dichte, satte, beinahe an die faktischen Bildgrenzen auslaufende Malschichte vor, die das Darunter – ob eigene Arbeit oder fremdes Bild – nicht mehr preisgibt, geprägt von der Verbesserungswut des Künstlers, wieder und wieder die aktuellste Malschichte zu vernichten und auszulöschen, um sie in ihrer Qualität zu steigern. Daraus resultiert eine Vielzahl von in sich gestärkten, mit purer Malerei gesättigten Tafelbildern, die Rainers Perfektionismus in der »konstruktiven Destruktion« (nach Werner Hofmann) widerspiegeln: die Oberfläche ist opak, verdichtet durch ihre Versiegelung – wie eben auch in der kleinformatigen Reste-Serie. Schwarz bringt das Bild zum Schweigen, jedoch ein Schweigen der Fülle und Intensität. Diese ruhe findet in Rainers Totenmaskenübermalungen eine konsequente Fortsetzung, sind ja seine dunklen Übermalungen nicht nur formale Bildlösungen im abstrakt Monochromen, sondern strahlen sie auch eine metaphysische, transzendente Dimension aus. In den Gesichtern der Totenmasken ist der letzte Ausdruck des Lebens eingeschrieben, ein Gleiten in den jenseitigen Kosmos. Rainer akzentuiert die fotografischen Dokumente mittels grafischer und malerischer Spuren. Zuvor hatte der Künstler sich mit der gegenteiligen Situation des menschlichen Expression auseinandergesetzt: in den Face Farces treibt Rainer die menschliche Erregung an die Spitze bis hin zur Grimasse.

Günter Brus ist der legitime Nachfolger von Goya, Blake und Kubin. Seine poetischen Zeichnungen entstammen der „anderen Seite“ (nach Kubins literarischem Werk), sind Auswüchse des schwarzen Unbewussten, der dämonischen Dunkelheit. Schwarz hat Brus bereits in seiner Aktionsmalerei in den frühen 1960er-Jahren eingesetzt, als er auf den Abstrakten Expressionismus antwortete. Auch bei Franz Kline und Jackson Pollock fungierte Schwarz als „Königsdisziplin“ der Kolorismen, um das Wesen von Geste und Spur auf den Punkt zu bringen. Auch in den folgenden Selbstbemalungen markiert Brus seinen weiß grundierten Körper – als Leinwandsubstitut – mit breiten schwarzen Pinselstrichen. Der Strich mutiert zum verletzenden Spalt.

Otto Zitko schreibt regelrecht sich in den Bildträger ein, wenn er mit intensivem Druck die körperlich aufgeladenen Spuren der Kreide auf das Papier oder die Platte bringt. Oft erweitert er seine Markierungen auf die innenarchitektonische Situation. Das schroffe Liniengewebe auf Decke und Wand bemächtigt sich optisch der räumlichen Gesamtsituation. Seit Ende der 1980er-Jahre nimmt bei Otto Zitko die reine Linie den dominanten Stellenwert in seiner Kunst ein. So entstanden monumentale Bilder, auf dessen Glasoberfläche, mit Russ geschwärzt, der Künstler die Spuren gezogen hatte: ein rauchige Atmosphäre in changierenden Hell-Dunkelwerten.

Michael Kienzers Zeichnungen scheinen zuerst so gar nicht in seine konzeptuell geprägte Kunst zu passen, die von objekthaften Assemblagen aus industriellem Material im Skulpturalen definiert sind. Unmittelbare, gestisch anmutende Zeichnungen, wilde, ausfransende Striche, feinnervige Spuren einer psychischen Befindlichkeit? In den Papierarbeiten sind Brüche des Prekären eingebaut. Kompositorische Finessen und rhythmische Strukturen werden bewusst vermieden, die indexikalischen Äußerungen des reinen Strichs genügen sich selber – somit keine psychische Gebärde. Diese Zeichnungen bilden in Folge die Grundlage für dreidimensionale Explorationen. Die Linie wird zur Skulptur.

Tobias Pils’ grafische Artikulationen haben etwas Zeitliches in sich eingeschrieben, einen nicht fixierbarer Zustand zwischen Werden und Vergehen, zwischen Sichtbarkeit der Form und Auslöschung der gerade vollzogenen Setzung auf dem Bildträger. Meist tauchen Zeichen auf, die jedoch in ihrer hybriden Natur ohne eindeutige Nachricht existieren, ohne sprachlich rationale Klärung einfach für sich stehen. Sie können das Hauptthema einer ganzen Bildserie sein – etwa eine Faust, eine skulptural-organische Frucht – aber stets labil und sich der Mimesis verweigernd. Es sind Annäherungen, Prozesse, Versuche auf einer außerverbalen piktorialen Ebene. Tobias Pils legt seine Bildsprache mehrdeutig an, ihrer klaren Vokabeln und Grammatik beraubt. In Widerspruch und Heterogenität sieht der Künstler eine Einheit.

Karl Schleinkofers Zeichnungen sind mehrschichtige Liniennetze, angereichert durch ein motorisches Handeln des Künstlers: eine intensive Konzentration, ein mentaler Tauchgang in die inneren Strukturen, jenseits des Sichtbaren und objektiv Benennbaren. Die Wabenstrukturen sind Außen und Innen zugleich, Physis und Psyche, Mikro- und Makrokosmos. Hierbei steht Schleinkofer in unmittelbarer Tradition mit Pollocks stellaren Dripp Paintings sowie Rainers Mikrokosmos-Zeichnungen aus seiner informellen Phase.

Jakob Gasteiger nimmt in der Ausstellung die minimalistischte Position ein. Er zeigt Papierarbeiten aus den frühen 1990er-Jahren, die seine konstruktiv konzeptuelle Haltung seit dieser Zeit bestätigt. Auch Gasteigers bekannte monochrome Gemälde, mit dem Kartonkamm strukturiert, zeugen von einem konsequenten Prozess des Seriellen und wohl Strukturierten. Die kohlebeschichteten Seidenpapiere ergeben in Summe – durch ihre Übereinanderschichtung – ein gleichmäßig geometrisch gegliedertes Feld von grafischen Spuren, ohne dass der Künstler selbst mit dem Stift diese gezogen hätte.